Zum Buch
Zum Ende des 19. Jahrhunderts zeichnete sich in den damaligen Städten Rheydt und M.Gladbach ein bemerkenswertes Phänomen ab, so lässt es sich den Verwaltungsberichten der beiden Gemeinden entnehmen. Als eine Folge der industriell bedingten Zuwanderung
wuchs die weibliche Bevölkerung auf dem Gebiet des heutigen Mönchengladbach stetig an und ließ den männlichen Bevölkerungsanteil bald hinter sich. Die M.Gladbacher Chronist*innen erfassten 1875 sogar um 32 Prozent mehr Frauen als Männer in ihrer Kommune. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache – Mönchengladbach, das sich in diesen Jahren von „einer kleinen Landstadt“ zum „Manchester am Niederrhein“ mauserte, entwickelte sich zu einer Stadt, in der weibliches Leben unübersehbar war. Junge Frauen, die in den Textilfabriken Arbeit fanden, bevölkerten die Straßen. Die Geschichte der Stadt Mönchengladbach ist eng mit der Textilindustrie verbunden und somit sind Leben und Wirken dieser, uns voran gegangenen Mönchengladbacherinnen, wichtige Säulen, auf denen sich unsere gegenwärtige Stadt stützen kann. Und doch spielen die Textilarbeiterinnen in unserer Erinnerungskultur nur eine untergeordnete Rolle. Es sind die sogenannten „Textilbarone“, denen die Mönchengladbacher*innen in vielfältiger Form ein Denkmal gesetzt haben. Ihnen und anderen bekannten Männern haben wir unsere Aufmerksamkeit gewidmet, etwa in Form von Straßennamen, Gebäuden oder Forschungsarbeiten. Warum ist das so? Sicherlich haben Frauen nur wenige schriftliche Zeugnisse hinterlassen. Das lässt sich aus ihrer gesellschaftlichen Position erklären, jedoch ebenso daraus, dass es in der Vergangenheit Mönchengladbacher Männer waren, denen in dieser Stadt politische Macht und Meinungshoheit zustanden. Frauen hatten lange Zeit, unabhängig von ihrer sozialen Zugehörigkeit, keinen Zutritt zu Macht und Herrschaft. Als handelnde Akteur*innen spielten sie nur eine geringe Rolle, bestenfalls wurden sie zu bemitleidens werten Opfern stilisiert. Die Folgen spüren wir bis heute, denn es besteht immer noch ein selten hinterfragtes Selbstverständnis darüber, was wichtig und erzählenswert ist. Die Frauen bilden in Mönchengladbach nach wie vor die zahlen mäßige Mehrheit, doch dieser Teil der Bevölkerung wird in unserer Wahrnehmung zumeist ausgeblendet. Unser Buchprojekt „Frauen und Mönchengladbach“ soll weibliches Leben und weibliche Lebensformen in Mönchengladbach sichtbar machen. Es erhebt nicht den Anspruch vollständig zu sein, viele erwähnenswerte Geschichten sind noch unerzählt geblieben. Die Autor*innen haben sich auf die Suche nach bekannten und weniger bekannten Frauen aus Vergangenheit und Gegenwart gemacht, die Mönchengladbach in vielfältiger Weise prägten und prägen.
Die Herausgeber
Karl Boland, geb. 1954, kaufm. Lehre, Wirtschaftsstudium an der Fachhochschule Niederrhein, Politikstudium an der RWTH Aachen (M.A.), Veröffentlichungen zur Lokalgeschichte von Mön chengladbach und Rheydt; arbeitete als Geschäftsführer in der Wohlfahrtspflege in Viersen und im Rhein-Kreis Neuss, seit November 2019 im Ruhestand; Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes Rhein land 2001; zuletzt mit Hans Schürings: TEXTIL INDUSTRIE KULTUR in Mönchengladbach. 2. Auflage 2022; mit der Geschichtswerkstatt Mönchengladbach: 2. Preisträger des Heimatpreises der Stadt Mönchengladbach 2021.
Jutta Finke-Gödde, Historikerin, Forschungen und Publikationen zur Mönchengladbacher Geschichte mit Schwerpunkt Frauengeschichtsforschung, letzte Veröffentlichung mit Karl Boland und Hans Schürings: 100 Jahre Inflation in Mönchengladbach und Rheydt 1923, 2013, Mitbegründerin von FrauenVita –Frauengeschichtsverein Mönchengladbach e.V., Kontakt: juttafinke@yahoo.de
Monika Hensen-Busch, Ausbildung zur Zahntechnikerin, Studium der Sozialpädagogik, Tätigkeit im sozialen Dienst der Stadtverwaltung Mönchengladbach, 2009 Tätigkeit in der Gleichstellungsstelle, 2012 bis zum Renteneintritt Ende November 2022 Gleichstellungsbeauftragte der Stadt; die Tätigkeit in der Gleichstellungsstelle beinhaltete auch die Initiierung und Durchführung von Projekten zu Frauen Geschichte(n) – überhaupt – und speziell auch in Mönchengladbach, 2013 Mitbegünderin von FrauenVita – Frauengeschichtsverein Mönchengladbach e.V., Kontakt: Monika.Hensen-Busch@web.de
Hans Schürings, geb. 1954, Bauzeichner-Lehre, Studium Bauingenieurwesen (Dipl.-Ing.), Studium der Soziologie, Bau-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der RWTH Aachen (M.A.), Veröffentlichungen zur Lokalgeschichte von Mönchengladbach und Rheydt; Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes Rheinland 2009; zuletzt mit Karl Boland: TEXTIL INDUSTRIE KULTUR in Mön- chengladbach, 2. Auflage 2022; mit der Geschichtswerkstatt Mönchengladbach: 2. Preisträger des Heimatpreises der Stadt Mönchengladbach 2021; arbeitet im eigenen Ing.-Büro in Mönchengladbach.