Zum Buch
Spätestens Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts ging es in Mönchengladbach zu Ende mit dem, was einst das „Rheinische Manchester" genannt wurde. Hier hatte sich im Rahmen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ein Zentrum der baumwollverarbeitenden Industrie gebildet, das alle anderen Industriebranchen in der Stadt klar dominierte. Die anderen Branchen, z.B. die Bekleidungsindustrie, die Maschinenindustrie und der Großhandel waren ebenfalls weitgehend auf Baumwoll- und Wollindustrie bezogen. Eine Ära war zu Ende gegangen, weil die Produktionsstätten ins lohnkostengünstigere Ausland verlagert worden waren. Was blieb, waren eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit und der Versuch eines Strukturwandels, der nach all den Jahren heute immer noch nicht abgeschlossen ist. Bemerkenswert daran ist, dass die Stadt Mönchengladbach das kulturelle Erbe dieser sehr besonderen und prägenden Industrie bisher nicht intensiv gepflegt hat. Positiv und beispielhaft ist dies im Ruhrgebiet gelungen. In Mönchengladbach ließ man viele der typischen baulichen Relikte verschwinden bzw. verschandeln, eine aktive Erinnerungs-, Bewahrungs- und Inszenierungsarbeit zum Zwecke der Identitätsbildung für die Stadtgemeinschaft fand nie ernsthaft statt. Wollte man das Alte vergessen und sich neu erfinden?
Das Buch geht in verschiedenen Beiträgen zum Beispiel den Fragen nach, was die Textilindustrie für die Stadt Mönchengladbach einst bedeutet hat, wie sie die Menschen geprägt und das Stadtbild gestaltet hat. Wie arbeiteten und lebten die Menschen, worunter litten sie? Und: Was aus der Erbschaft dieser Zeit wäre dazu geeignet, daraus für die heutige Zeit ein Werte-Fundament für ein Identitätskonzept Mönchengladbachs zu extrahieren?
© Karl Boland / Hans Schürings
Die Herausgeber
Karl Boland, geb. 1954, kaufm. Lehre, Wirtschaftsstudium an der Fachhochschule Niederrhein, Politikstudium, an der RWTH Aachen (M.A.), Veröffentlichungen zur Lokalgeschichte von Mönchengladbach und Rheydt; arbeitete als Geschäftsführer in
der Wohlfahrtspflege in Viersen und im Rhein-Kreis Neuss, seit November 2019 im Ruhestand.
Hans Schürings, geb. 1954, Bauzeichner-Lehre, Studium Bauingenieurwesen (Dipl.-Ing.), Studium der Soziologie, Bau-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der RWTH Aachen (M.A.), Veröffentlichungen zur Lokalgeschichte von Mönchengladbach und Rheydt; arbeitet im eigenen Ing.-Büro in Mönchengladbach.
Die Autoren
Marianne Bechhaus-Gerst
ist Afrikanistin, Historikerin und Kulturwissenschaftlerin. Sie forscht und schreibt zur Geschichte von Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland, zur deutschen Kolonialgeschichte und zum Kolonialismus im Rheinland. Als Kuratorin hat sie u.a. Ausstellungen zur kolonialen Vergangenheit Kölns und Aachens eingerichtet. Seit vielen Jahren ist sie im Bereich Interkulturelle Kommunikation und Bildung, als Anti-Rassismus-Trainerin und Critical Whiteness-Coach tätig. Seit einigen Jahren beschäftigt sie sich mit ihrer Herkunft aus einer Familie von Textilarbeiter*innen und bringt unter dem Pseudonym „Katharina Kaumanns“ einen historisch/biographisch/autobiographischen Podcast zu ihrer Familiengeschichte heraus.
Ursula Boos-Nünning
Promotion in Religionssoziologie, von 1980 bis 2009 Professorin im Fachgebiet Migrationspädagogik an der Universität Duisburg Essen, zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Einwanderung von Kindern, Jugendlichen und Familien, Mitglied in Beiräten und Kommissionen.
Hermann Josef Kronen
Studium in Bamberg und Köln von Pädagogik, Soziologie und Psychologie mit Abschluss als Erziehungswissenschaftler – Schwerpunkt Jugend- und Erwachsenenbildung. Von 1984 bis 2019 zunächst päd. Mitarbeiter und Projektentwickler beim Volksverein Mönchengladbach, ab 1993 Mitglied der Geschäftsführung. Einzelne Veröffentlichungen im Bereich Langzeitarbeitslosigkeit, Armut und Fundraising.
Richard Jung
Studium Düsseldorf, Diplom Designer, Professor für Kommunikationsdesign und Corporate Identity. Vor dem Ruf an die Hochschule Niederrhein, zunächst Art-, später Creative Director und Strategischer Planer bei der damals führenden
Hamburger Werbeagentur Springer & Jacoby. Anschließend Geschäftsführer Kreation bei Scholz & Friends in Hamburg. Er betreute u. a. die Marken- Kommunikation von Mercedes-Benz, Deutsche Telekom, Lufthansa, Europcar, IBM, BMW, RWE und AXA. Seine Arbeit ist mit zahlreichen nationalen sowie internationalen Preisen ausgezeichnet. Er ist Gründungsmitglied der Account Planning Group Deutschland sowie Mitglied im Art Directors Club und verantwortet dort im Präsidium das Ressort „Forschung & Lehre.“
Karl Sasserath
Biografische Bezüge zur Textilindustrie in Kindheit und Jugend, Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Niederrhein (Dipl.-Sozialarbeiter). Leitete von 1982 bis 2020 das Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach, von 1982 bis 2020 ehrenamtliches Engagement in der Kommunalpolitik.
Silke Schütter
Soziologin und Historikerin, Professorin für Sozialpolitik an der Hochschule Niederrhein seit 2008. Forschungsschwerpunkte: Sozialpolitik im internationalen Vergleich, Geschichte der empirischen Sozialforschung und kommunaler Sozialpolitik.