Zum Buch
Jeder Bericht, jeder Essay über Künstler und Kunst fragt nicht nach Antworten. Denn über Kunst kann nur befunden werden, wenn der Schauende eine individuelle Meinung, eine individuelle Antwort findet. Und sucht.
Texte über Kunst sind keine Bevormundungen, sondern die Aufforderung an den mündigen Betrachter von Kunst, den Reichtum der Sichtweisen mit der eigenen Vorstellung, der eigenen Erfahrung und der eigenen Neugierde zu vergleichen und zu bereichern.
Die Notwendigkeit des Schreibens über Kunst kann nur durch eine eigene poetische, intensive, wissende Seele formuliert und als Frage angeboten werden.
Es gibt nichts Neues in der Bildenden Kunst; es gibt nur neue Künstler, die, wenn sie denn verantwortungsvoll arbeiten, das große Metier der Malerei in der jeweiligen Zeit, in der die Kunst passiert, voller Leidenschaft betreiben.
Ein Text über Kunst, über Künstler, ist nicht dazu da, der Kunst das Geheimnis zu stehlen, sondern – wenn nötig sogar bei aller Unschuld eines Künstlers – ihr Geheimnisse zu erfinden.
Es kann die große Kunst nur existieren und überleben, wenn sie nicht „verstanden“ wird; die jeweilige Zeit muss ihre Künstler nicht verstehen, sie muss ihnen glauben.
Je intensiver dieser Glaube ist, umso größer ist die Zeit, in der die jeweilige Kunst passiert.
Heinrich Heil geht diesen Weg verantwortungsvoll, mit der notwendigen Emphase und vermittelt durch seine poetischen Arabesken den Angriff auf ein schier unlösbares Problem.
© Markus Lüpertz
„Wem die Kunst das Leben ist, dessen Leben ist eine große Kunst.“ Als treibendes Leitmotiv begleitet die Sentenz von Johann Sebastian Bach mein Arbeiten und Handeln. Ganz im Sinne Nietzsches erweist sich für mich die Kunst als wesentliches, unverzichtbares Lebensmittel, das Daseins- und Schaffenslust vortrefflich speist.
Wer über Werke der Kunst und die sie Schaffenden nachsinnt, Position bezieht und sein Urteil mit anderen austauscht, wird rasch bemerken, wie der wahre Umgang mit der Kunst ihn packt, formt und nicht mehr loslässt. Kunst wird solchen Betrachtern zum Genuss- und Erkenntnismittel.
„Was bleibt von der Kunst?“, fragt Robert Musil, der Autor des epochalen Romans „Mann ohne Eigenschaften“, und gibt zur Antwort: „Wir als veränderte bleiben.“ Eine Erfahrung, die meine Lehrtätigkeit und Vermittlung an verschiedenen Hochschulen und Kunstakademien geprägt hat und das Kuratieren von Ausstellungen maßgeblich vorantrieb. Eine Erfahrung, die mich über viele Jahre als Berater und Referent für Kultur im Büro von drei Oberbürgermeistern der Landeshauptstadt Düsseldorf im Verwaltungs-apparat und zuletzt als stellvertretender Direktor des Heinrich-Heine-Instituts ermutigend begleitet hat.
Und ich bleibe dabei, der Kunst das Wort zu reden.
Die in diesem Band versammelten Vorträge wurden an der Akademie der Bildenden Künste an der Alten Spinnerei Kolbermoor gehalten, fest eingebunden in das Konzept der Sommerakademie von Professor Markus Lüpertz. Sie folgen dem Gedanken, dass die Auseinandersetzung mit und das Auffassen von Kunst ein wesentlicher Bestandteil des Studiums der Malerei und Bildhauerei darstellen. Die Arbeit an dieser Publikation wurde während der Corona-Zeit durch ein Stipendium der VG Wort, München unterstützt.
© Heinrich Heil
Markus Lüpertz,
1941, am 25. April in Liberec, Böhmen, geboren. 1948 Flucht der Familie nach Rheydt/Rheinland. 1956–1961 Studium an der Werkkunstschule Krefeld bei Laurens Goosens; Aufenthalt im Kloster Maria Laach; einjährige Arbeit im Kohlebergbau unter Tage; Studien in Krefeld und an der Kunstakademie Düsseldorf; Arbeit im Straßenbau; Aufenthalt in Paris. Seit 1961 freischaffender Künstler. 1962 Übersiedlung nach Berlin; Beginn der „dithyrambischen Malerei“. 1963 Beginn der „Donald Duck“-Serie. 1964 Eröffnung der Galerie Großgörschen 35 in Berlin, Ausstellung: „Dithyrambische Malerei“. 1966 Manifest „Kunst, die im Wege steht. Dithyrambisches Manifest“. 1968 Manifest „Die Anmut des 20. Jahrhunderts wird durch die von mir erfundene Dithyrambe sichtbar gemacht“; erste Ausstellung bei Michael Werner, Berlin. 1970 Preis der Villa Romana, einjähriger Aufenthalt in Florenz; Beginn der „Deutschen Motive“. 1971 Preis des Deutschen Kritikerverbandes. 1973 Ausstellung: „Bilder, Gouachen, Zeichnungen. 1967–1973“, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden. 1974 Organisation der 1. Biennale Berlin; Gastdozentur, 1976–1987 Professur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe. 1977 Beginn der „Stil-Bilder“; Wandbilder für das Krematorium Ruhleben, Berlin; Rücktritt von der documenta 6 (mit Georg Baselitz); Ausstellungen: „Dithyrambische und Stil-Malerei“, Kunsthalle Bern; Hamburger Kunsthalle; Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven. 1980 Beginn des „Alice im Wunderland“-Zyklus. 1982 documenta 7, Kassel; Bühnenbild zur Oper „Vincent“ von Rainer Kunad, Staatstheater Kassel. 1983 Bühnenbild zur Oper „Werther“ von Jules Massenet, Ulmer Theater (vor der Premiere entfernt); Ausstellung: Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven. 1984 Aufenthalt in New York; Bilder zu „Pierrot Lunaire“. 1985 Beginn der Bilder nach Corot; Beginn der Auseinandersetzung mit antiken Themen. Ab 1986 Professur an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, 1988–2009 Rektor; Entstehung der „Zwischenraumgespenster“-Serie; Skulptur „Titan“; Ausstellung: Lenbachhaus, München. 1989 Beginn der Bilder nach Poussin; Ausstellung: „Retrospektive 1964 bis 1988“, Abbaye Saint-André, Centre d‘Art Contemporain, Meymac. 1989/90 Kirchenfensterentwürfe für die Kathedrale von Nevers. 1990 Lovis-Corinth-Preis, Künstlergilde Esslingen. 1991 Bühnenbild und Kostüme zur Oper „Der Sturm“ von Frank Martin (nach William Shakespeare), Bremer Theater; Ausstellung: „Retrospektive 1963 bis 1990“, Museo Nacional, Centro de Arte Reina Sofía, Madrid. 1993 Beginn der Serie „Männer ohne Frauen – Parsifal“; Ausstellung: Kunstmuseum Bonn. 1994 Ausstellungen: Palais Liechtenstein, Wien; Reuchlinhaus, Pforzheim. 1995 Skulptur „Judith“; Ausstellungen: Galerie der Stadt Stuttgart; Städtische Kunsthalle Mannheim, Städtische Kunstsammlungen Augsburg; Gerhard Marcks-Haus Bremen; Museum für Moderne Kunst in Bozen. 1996 Entstehung des „Otello“-Zyklus; Bühnenbild und Kostüme zu Verdis Oper „Troubadour“, Deutsche Oper am Rhein, Duisburg und Düsseldorf; Ausstellung: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. 1997 Ausstellungen: Stedelijk Museum, Amsterdam; Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München; Von der Heydt-Museum, Wuppertal. 1998 Ausstellung der Bilderfolge „Monte Santo“, Galerie Michael Werner, Köln. 1999 Beginn des „Vanitas“-Zyklus. 2000 Präsentation des „Vesper“-Zyklus in der Ausstellung „Lost Paradise Lost. Kunst und sakraler Raum“, Hannover. 2001 Wandbild „Die sechs Tugenden“ und Skulptur „Die Philosophin“, Bundeskanzleramt, Berlin. 2002 Ausstellungen: IVAM Centre Julio Gonzalez, Valencia; Museum Würth, Künzelsau. 2004 IV. International Prize „Julio González“. 2005 Skulpturen „Adler“, Bundesgerichtshof Karlsruhe, „Hommage an Mozart“, Salzburg. 2006 Doktor honoris causa der Kunstakademie Breslau (Wroclaw). 2009 Skulptur „Apoll“, Bamberg; Ausstellung: „Hauptwege Nebenwege. Eine Retrospektive“, Kunst- und Ausstellungshalle Bonn. 2010 Zwölf Kirchenfensterentwürfe für St. Andreas, Köln; Skulptur „Herkules“, Zeche Nordstern, Gelsenkirchen; Ausstellung: Albertina Wien. 2013 Internationaler Mendelssohn-Preis, Leipzig. 2014 Skulptur „Hommage an Beethoven“, Bonn; Ausstellung: Hermitage St. Petersburg. 2015 „Grand Prix artistique 2015“, Fondation Simone et Cino Del Duca; Ausstellungen: „Une Rétrospective“, Musée d‘Art Moderne de la Ville de Paris; „Markus Lüpertz / Arnulf Rainer – Bildende Kunst“, Arnulf Rainer Museum, Baden; „Nichts Neues. Die Abstraktion hat noch nicht begonnen“, Bode-Museum, Berlin. 2016 Skulpturen „Das Echo des Poseidon“, Duisburger Hafen, Mercatorinsel, „Uranos“, Theaterplatz Essen; Ehrenbürgerschaft der Stadt Liberec (Tschechien). 2017 Ausstellungen: „Max Klinger / Markus Lüpertz. Zeitgenössische Kunst“, Museum der bildenden Künste, Leipzig; „Threads of History“, Hirshhorn Museum, Washington; „Markus Lüpertz“, The Phillips Collection, Washington. 2018 Bühnenbild und Kostüme zur Oper „Una cosa rara“ von Vicente Martín y Soler, Theater Regensburg; Ausstellungen: „Markus Lüpertz. Dans l´Atelier“, Musée de la Vie Romantique, Paris; „,Der Tod, der bleiche Freier‘. Gipse“, Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal. 2019 Skulptur „Leda“, Monheim, Rheinufer; Ausstellungen: „Über die Kunst zum Bild“, Haus der Kunst München; „Oser la peinture“, Proprieté Caillebotte, Yerres. 2020 Ausstellung: Museum Jorn, Silkeborg, seit 2020 Arbeiten an 14 großformatigen Keramikreliefs für die Karlsruher U-Bahn. 2021 Regiedebüt, Bühnenbild und Kostüme zur Oper „La Bohème“ von Giacomo Puccini, Staatstheater Meinungen; Einbau von 6 der geplanten 8 Kirchenfenster, St. Elisabeth, Bamberg; Ausstellung: „A small, irrational, artist-led retrospective“, Museum für Moderne Kunst MMOMA, Moskau. 2022 Einbau der letzten 2 Fenster, St. Elisabeth, Bamberg; Ausstellung: Palazzo Loredan, Venedig, während der 59. Biennale. Markus Lüpertz lebt und arbeitet in Berlin, Düsseldorf und Karlsruhe.