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Eine Zeit nimmt Abschied
Er starb am 17. Februar 1998, wenige Wochen vor seinem 103. Geburtstag. Seine Lebensdaten (1895-1998) und seine Schaffenskraft schenkten Ernst Jünger die Grundvoraussetzungen, ein wahrer Zeitzeuge zu werden, der große Chronist des 20. Jahrhunderts. Dies darf man durchaus wörtlich verstehen, denn Ernst Jünger führte in ganz unterschiedlichen Lebensphasen ein Tagebuch, so dass viele Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts gleichsam Tag für Tag aus seiner Perspektive bezeugt sind.
Er war zeitlebens ein umstrittener Autor. Immerhin schließt dies ein, so kom¬mentierte er selber einmal diesen Umstand, dass man auch Freunde besitzt. Dass Jünger immer seine Leserschaft fand und diese wiederum ihm begegnen wollte, mögen wenige Namen verdeutlichen, die sich in der alten Stauffenberg´schen Oberförsterei gegenüber dem Schloss in Wilflingen einfanden: Bundespräsident Theodor Heuss, Bundespräsident Roman Herzog, Bundeskanzler Helmut Kohl, Staatspräsident Francois Mitterand, Ministerpräsident Felipe Gonzáles, um nur die markantesten aus dem politischen Bereich zu nennen.
Er ist bis heute präsent, denn er hinterließ nicht nur ein Tausende von Seiten zählendes Werk, sondern auch eine umfangreiche Korrespondenz mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten des Öffentlichen Lebens. Bisher sind u.a. die Briefwechsel publiziert worden mit: St. Andres, G. Benn, M. Heidegger, R. Schlichter, C. Schmitt, G. Scholem. Zudem ist das langjährige Jünger-Domizil in ein Dichterhaus verwandelt worden, kritische Ausgaben seiner Bücher werden neu veröffentlicht, wissenschaftliche Arbeiten verfasst. Und ein nach seinem Bruder und ihm be¬nannter Verein veranstaltet jährlich Symposien über sein Werk und dessen Re-zeption.
Er wird auch künftigen Generationen ein gewichtiger Ansprechpartner sein. Denn aus welcher Perspektive und in welcher Funktion man Ernst Jünger auch betrachten mag, so ist er vor allem anderen ein Augenöffner für die Wunder der Welt, das Wunder des Lebens. Für ihn ist das Wirkliche wunderbar, wie das Wunderbare wirklich ist. Solange den Menschen diese Gewissheit nicht verloren geht, ist nichts verloren. Er starb am 17. Februar 1998; ich fuhr nach Wilflingen, um Ernst Jünger die letzte Ehre zu erweisen. Doch als ich das Licht auf seinem Grab entzündete, spürte ich, was in der Todesanzeige ins Wort gebracht worden war: „Eine Zeit nimmt Abschied“.
© Klaus Hurtz
Der Autor
Klaus Hurtz, Theologe, geboren 1955 in Mönchengladbach-Rheydt, nach dem Zivildienst von 1976 –1984 Studium der Germanistik, Philosophie und Theologie in Köln, Bonn und Innsbruck, dort Sponsion zum Magister der Theologie. 1986 Priesterweihe in Aachen, nach Kaplanstätigkeit in Krefeld-Hüls seit 1990 Pfarrer in St. Franziskus, Mönchengladbach-Rheydt und seit 2004 auch Pfarrer in St. Marien, Mönchengladbach-Rheydt, seit 2010 Pfarrer der Pfarre St. Marien, Mönchengladbach-Rheydt mit den Gemeinden St. Franziskus, St. Josef, St. Marien, von 2018-2023 Regionalvikar Mönchengladbach. Publizistische Tätigkeit.