Die Freiheitstheologie des Petrus Iohannis Olivi im Dialog mit dem modernen Freiheitsverständnis
Obwohl die individuelle Freiheit zu den Leitbegriffen der fortschreitenden Moderne gehört, stellt die verantwortliche Gestaltung dieser Freiheit für viele Menschen heute eine Überforderung oder zumindest eine unbequeme Herausforderung dar. Die Freiheitsanthropologie des Franziskanertheologen Petrus Iohannis Olivi aus dem 13.Jahrhundert kann insofern einen konstruktiven Beitrag zur modernen Freiheitsdiskussion leisten, als sie individuelle Freiheit und solidarische Freiheit gerade nicht in einem Widerspruch, sondern in einem inneren Zusammenhang sieht. Olivi legt ein franziskanisch inspiriertes Ideal des Menschseins vor, das auf jede Form weltlicher Herrschaft verzichtet, jedoch nur, um diese Welt und ihren wahren Reichtum in einer neuen Form zu "besitzen", welche sich ganz an der souveränen Freiheit Jesu gegenüber dieser Welt orientiert. Die Anthropologie Olivis hat wesentlich dazu beigetragen, dass im Verlauf der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts der lateinische Begriff dominium einen tiefgreifenden Bedeutungswandel durchlaufen hat. Nicht mehr territorialer Besitz und durch die Tradition verbürgte Machtansprüche bilden die Grundlage für die Gestaltung des gesellschaftlichen Fortschritts, sondern die Verfügung des Individuums über seine eigene Freiheit und seine Freiheit im Gebrauch der materiellen Güter. Nicht so sehr eine vorgegebene Seinsordnung und ein damit verbundenes objektives Rechtssystem prägen das Bewusstsein Olivis, sondern eine verinnerlichte Form der Freiheit zur Selbstverfügung, welche ihren Ausdruck in einer vom Subjekt geprägten Rechtsauffassung, aber auch in einem verstärkten Bewusstsein solidarischer Verantwortung für die gesamte Schöpfung findet.
Die Reihe "Veröffentlichungen der Johannes-Duns-Skotus-Akademie" dient der Publikation von monographischen Schriften, die sich mit Themen aus dem franziskanischen Bereich, mit Themen der Spiritualität, der Philosophie und Theologie, der Geschichte, der Kunst oder Kultur befassen. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Publikation von diesbezüglichen Arbeiten, deren Autoren der Kölnischen Franziskanerprovinz, dem Orden, der franziskanischen Ordensfamilie und ordensnahen Personen angehören. Diese Reihe ergänzt die Veröffentlichungen der in der Kölnischen Franziskanerprovinz bestehenden Reihen "Rhenania Franciscana Antiqua" und "Rhenania Franciscana Beihefte". Da die Reihe rein wissenschaftlichen Charakter hat, ist sie keiner anderen Edition angeschlossen. Es gibt jedoch eine Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, z.B. mit der Scotus- Research Group der Universität Utrecht in den Niederlanden oder mit der Universität Bonn (Philosophisches Seminar). Der Name der Reihe wurde in Erinnerung an den im Jahre 1308 in Köln verstorbenen und dort in der Minoritenkirche beerdigten Franziskaner, den seligen Johannes Duns Skotus, gewählt. Außerdem soll an die Tradition der in Mönchengladbach bis 1968 bestehenden Philosophisch-theologischen Hochschule der Franziskaner erinnert werden, die zeit ihres Bestehens bedeutende Wissenschaftler aus der Kölnischen Franziskanerprovinz in ihren Reihen zählte. Die Akademie will mit ihrem Beitrag die Verbindung von Frömmigkeit und Apostolat einerseits und Wissenschaft andererseits im franziskanischen Bereich fördern, welche beiden Bereiche heute leicht auseinandergeraten können. Die Stärke und die Zukunft des Ordens waren häufig dann gegeben, wenn beide Bereiche zusammengingen.
Albert Schmucki, 1963 in Degersheim (Schweiz) geboren. Studium der Theologie in Chur, Rom und Fribourg. Eintritt in den Franziskanerorden und ordensinterne Ausbildung. Lizentiat in Psychologie und Promotion in Theologie in Rom. Geistliche und psychologische Begleitung von Priestern und Ordensleuten. Professor für "Psychologie des geistlichen Lebens" am Franziskanischen Institut für Spiritualität an der Universität Antonianum in Rom.