Meistens mit dem ÖPNV angereist, begann ich meine Rundgänge an Bahnhöfen und Busbahnhöfen. Über Treppen und Rolltreppen, Über- und Unterführungen dann in die Fußgängerzonen, die meist keine reinen Reservate waren: Von Autostraßen durchschnitten, an Parkhäusern vorbei, führte mein Weg bis dahin, wo der Autoverkehr wieder frei fließt ...
... es sah überall gleich aus: Kirche in der Mitte, Kaufhaus hier, Sparkasse da, einige Läden, Stühle oder Bänke. Burger und Kebab und Eis. Gaststätten und Restaurants – die am Abend zum Verweilen eingeladen hätten – waren weniger zu finden.
Bei Erfindung der Fußgängerzonen wird man an die Zufriedenheit gedacht haben, die sich (ohne Auto-Abgase und -Geräusche) beim Flanieren einstellt. Man kann ja immer noch flanieren oder draußen sitzend Eis essen oder Kaffee oder Bier trinken. Doch warum sollte man flanieren, wo nichts Interessantes ist? Na ja, wo keine Leute laufen, da laufen auch die Geschäfte nicht – und dann laufen noch weniger Leute.
Das (und einiges mehr) stellen meine Photographien dar. So hatte ich mir das anfangs nicht gedacht, aber so hat es sich ergeben ...
Rüdiger Kramer
Mit Beiträgen von Kerstin Hilt und Eva Pasche
Herausgeber und Autor
Rüdiger Kramer wurde am 13. April 1953 in Menden / Sauerland geboren
1971-77 Studium der Freien Kunst an der Düsseldorfer Kunstakademie bei den Professoren Beuys und Sackenheim, Meisterschüler der Akademie
1974/75 Gasthörer an der Akademie für Angewandte Kunst, Wien
seither sogenannter Freier Künstler (1976-86 finanziert durch einige Tausend pseudonyme Feuilletonbeiträge für Zeitungen)
1977/78 Lehrauftrag Freihandzeichnen an der Kunstakademie Düsseldorf
1984-88 Lehrauftrag Zeichnen an der Gewerbeförderungsanstalt der Handwerkskammer Düsseldorf
1988-92 Lehrauftrag Zeichnen an der FH Dortmund, Fachb. Design
2006 Lehrauftrag Zeichnerische Grundlagen an der FH Aachen, Fachbereich Design
1986-2006 Arbeit mit psychisch Kranken und Geistigbehinderten
† 23. März 2017
Stipendien und Preise
1985 dreimonatiger Arbeitsaufenthalt in Olevano/Italien durch ein Stipendium des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen (Sonderstipendium zum Villa Massimo-Stip.)
1985 und 87 Graphik-Stipendien der Aldegrever-Gesellschaft, Münster
1986 Stipendium für einen zweimonatigen Studienaufenthalt im Bergbau
1993 Preis für Bildende Kunst der Tisa von der Schulenburg-Stiftung, Dorsten
2002 Kunstpreis der Stadt Euskirchen
2003 Lumix Special Award
2004 foto:me, Fotowettbewerb 1100 Jahre Mettmann
Darstellung meines künstlerischen Entwicklungsweges
Während meines Studiums an der Kunstakademie Düsseldorf 1971 - 77 bei den Professoren Beuys und Sackenheim habe ich mich einerseits intensiv mit dem Naturstudium in Zeichnung, Graphik und Malerei auseinander gesetzt, wobei Vorbilder Dürer und die Romantiker, aber auch Menzel oder Hubbuch waren.
Andererseits habe ich mich ausführlich mit der Arbeit meiner Lehrer und mit experimentellen Techniken wie z. B. zeichnerischem Automatismus oder Collage befasst.
Nach dem Studium habe ich einige Jahre (ca. 1978-86) meine Aufgabe in bildmäßigen Bleistiftzeichnungen mit Menschendarstellungen und vanitashaften Themen gesehen, die ihren Höhepunkt und Abschluss in der Darstellung toter Tauben fanden (Ausst. u. a. Kunstmuseum Düsseldorf).
Daneben entstanden Aquarelle und schnelle Kreideskizzen aus dem privaten Umkreis, ein zeichnerisches Tätigkeitsfeld, das sich im Lauf der Jahre ausweitete.
1983 habe ich für das Düsseldorfer Heine-Institut eine Reihe von Schriftstellern portraitiert (Ausst.: Literaturbüro Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf).
Während meines Studienaufenthaltes in Olevano Romano / Italien im Jahre 1985 durch ein Sonderstipendium zum Villa Massimo-Stipendium des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen habe ich als Hommage an die Romantiker (Fohr, Horny) Landschaften gezeichnet (Ausst. u.a.: Innenministerium Bonn; Kreismuseum Zons, Dormagen).
1986 entstand der nächste zeichnerische Zyklus unter Tage im Bergbau, wo ich genaue Beobachtung und expressive Strichführung zu verbinden suchte und meine Begeisterung für Piranesis phantastische Carceri ihre Entsprechung in der Realität fand (Katalog: Zeichnungen aus dem Bergbau; Ausstellungen u.a.: Museen Recklinghausen; Landesmuseum Volk und Wirtschaft, Düsseldorf).
1986-89 habe ich in der Rheinischen Landesklinik Viersen mit psychisch Kranken gearbeitet, d. h. ich machte in dieser Zeit etwa 250 Portraits, die in vielen Fällen von den Dargestellten mit eigenen Zeichnungen beantwortet wurden.
Es entstand auch ein Radierungszyklus, für den auf dem gleichen Blatt zusammen mit den von mir gemachten Bildnissen von den Portraitierten radierte Platten gedruckt wurden - Bild und Gegenbild (Buch mit den Zeichnungen und Radierungen: Das ganz normale Gesicht; Ausstellungen u. a.: Städtische Galerie Heerlen/NL; Kunstmuseum Bonn; Kunstmuseum Düsseldorf; Fortezza da Basso, Florenz/Italien).
Mit Geistigbehinderten habe ich 1990 ein Wandgemälde für den Eingangsbereich der Diakonischen Werke Himmelsthür in Hildesheim realisiert.
In einem pathologischen Institut habe ich 1990 Tote portraitiert (Buch: Alles Sterbliche ist wie das Gras 1995 im Echter Verlag, Würzburg; Ausstellung in Schwerte, in Vorbereitung für Hamburg).
1991 hatte ich die Gelegenheit im Operationssaal und auf der Intensivstation der herzchirurgischen Universitätsklinik, München zu zeichnen und zu photographieren (Buch: HERZREPARATUREN; Ausstellungen in Ingolstadt und Berlin).
Meine zeichnerischen Zyklen werden vielfach von Radierungen begleitet (Olevano, Bergbau, Psychiatrie). Gelegentlich habe ich die Zeichnungsreihen auch durch einige Photographien (Verstorbene, Herzchirurgie) ergänzt.
1993 habe ich die kontinuierliche Arbeit in der Psychiatrie wieder aufgenommen. Sowohl in den Rheinischen Kliniken Viersen als auch in der Pfalzklinik Klingenmünster bei Landau/Pfalz wurden von mir Patientengruppen zur Gestaltung großer abstrakter Wandgemälde angeleitet.
In den Rheinischen Kliniken Viersen habe ich bis 2006 regelmäßig Malgruppen geleitet (Buch: Eine bildliche Erde kann man haben, Hrsg. Ruth Vogel; Ausstellungen mit Patientenarbeiten in: Viersen, Hamburg, Köln etc.).
zusätzlich habe ich 1995-97 mit geistigbehinderten Bewohnern der Ev. Bildungs- und Pflegeanstalt Hephata in Mönchengladbach künstlerisch gearbeitet.
Darüber hinaus fand im Mai 1995 ein Mal-Projekt mit körperlich und geistig behinderten Kindern der Dorstener Haldenwang-Schule statt.
Einerseits habe ich weitere zeichnerische Zyklen zusammengetragen (Frauen, Transvestiten, Landschaften, u. a. m.), andererseits habe ich mich verstärkt mit Farbe auseinandergesetzt (Aquarell, Farbstifte, Ölfarbe auf Papier oder Leinwand).
Seit 2001/02 intensive Auseinandersetzung mit Digitalphotographie (Kunstpreis der Stadt Euskirchen 2002 und Ausstellung im Stadtmuseum da, weitere Preise und Ausstellungen).
Seit einiger Zeit Arbeit an großformatigen Figurenbildern Leinwand und erneutes, intensives Zeichnen.
Ausstellungen
1975 Stadt Menden, Wilhelmshöhe (mit W. Pahlen); Der Clou, Düsseldorf
1976
Galerie der Sparkasse Iserlohn
1982
Galerie Niepel, Düsseldorf
1983
Galerie Ilsabe von Sonntag, Mülheim/Ruhr; Literaturbüro Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
1985
Galerie der Sparkasse Iserlohn
1986
Galerie Ilsabe von Sonntag, Mülheim/Ruhr; Bundesministerium des Inneren, Bonn; Rathaus
Stadt Menden
1987
Kreismuseum Zons, Dormagen
1988
Museen der Stadt Recklinghausen, Bürgerhaus Süd; Galerie Kuppinger, Hückelhoven;
Landesmuseum Volk und Wirtschaft, Düsseldorf; Stadtmuseum Iserlohn; Stadsgalerij,
Heerlen/Niederlande; Kunstmuseum Bonn, Haus an der Redoute
1989
Hermann Grochtmann-Museum, Datteln; Stadtmuseum Borken
1989-93
fanden darüber hinaus mehr als dreißig Ausstellungen in psychiatrischen Einrichtungen statt (Darmstadt, Karlsruhe, Berlin, Hildesheim, Schleswig, Kleve, Lüneburg, Wasserburg, Osnabrück, Hamburg, Greifswald, Augsburg, etc.)
1990
Siegerlandmuseum im Oberen Schloss, Siegen; Städtisches Kunstmuseum Düsseldorf; Universität Kiel; Rathaus Stadt Düren; Psychiatrische Universitätsklinik München
1991
Fortezza da Basso, Florenz/Italien; Städtische Galerie Dorsten
1992
Städtische Galerie Landau/Pfalz
1993
Städtische Galerie Dorsten; Medizinische Akademie, Erfurt
1994
Kirche St. Georg, Hamburg (zum Weltkongress soziale Psychiatrie); Deutsches Medizinhistorisches Museum, Ingolstadt
1995
Medizinhistorisches Museum des Universitätsklinikums Charité, Berlin
1996
Badetag, Rheinische Landesklinik Viersen
1998
Katholische Akademie Schwerte; Städtische Galerie Viersen
2001
Kreissparkasse Datteln; St.Vincenz Krankenhaus Datteln
2002
Stadtmuseum Euskirchen
2003
Menden – die Stadt im Walde, Museum der Stadt Menden
2008
Cloerather Mühle, Viersen
2010
Bezirksrathaus Köln Nippes; Maschinenhalle der Zeche Pattberg in Moers
2011
FUSSGÄNGERZONEN, Digitalphotographien, VHS Mönchengladbach; Photozyklen FUSSGANGERZONEN + UNVERGESSSEN, Kunst im Rathaus, Euskirchen
2012
UNVERGESSSEN, Hermann Grochtmann-Museum, Datteln
2013
UNVERGESSSEN, Museum Menden
2014
Duisburger Skizzenbuch, Bezirksbibliothek Duisburg Rheinhausen; UNVERGESSSEN, Rathaus Hattingen